Der Zirkel & Phönix – Jungkonservative Zeitschift

Fortan möchten wir regelmäßig Publikationen des rechten Lagers aus unserem Bestand vorstellen, die in der Vergangenheit (auch) in Südniedersachsen erschienen. Sie sollen zu einer weiteren kritischen Beschäftigung mit der regionalen Extremen Rechten und damit zum Besuch des Archivs einladen.

von Rune Wiedener

Ausgaben vom Zirkel und dem Phonix sind im ABAG nach Absprache einsehbar

Als Erstes stellen wir zwei Zeitschriftenprojekte aus den 1980er Jahren vor, die ihren Ursprung in vorrangig konservativen Milieus hatten und letzten Endes Publikationen der Neuen Rechten darstellten. Zu Beginn des Jahrzehnts entstanden Der Zirkel und Phönix in den Zeiten der vom späteren Bundeskanzler Helmut Kohl propagierten „geistig-moralischen Wende“. Mit ihr sollte ein liberaler 68er-Zeitgeist zurückgedrängt und konservatives Denken gestärkt werden. Tatsächlich war das rechte Lager von der reellen Regierungspraxis der schwarz-gelben Regierungskoalition ab 1982 eher enttäuscht. Einige aus ihren Reihen spornte die Diskurs-verschiebung aber zu einem selbstbewussteren Auftreten an. Davon blieb auch die Universitätsstadt Göttingen nicht ausgenommen.


Der Zirkel als Zentralorgan der Korporierten-Szene

Ab 1983 erschien Der Zirkel mit einer Auflage von 5.000 Stück als Zeitung von Verbindungsstudenten, die sich „nicht länger“ vom damals noch uneingeschränkt linken „AStA-Meinungsmonopol den Mund stopfen“ lassen wollten. Bis 1986 sollten noch 14 weitere Ausgaben folgen. Als zunächst alleiniger Herausgeber fungierte ein Aktiver der Burschenschaft Frisia (damals Mitglied des stramm rechten Dachverbands Deutsche Burschenschaft, inzwischen, seit 2003, ist die Frisia wieder ein Corps). Neben teils skurril anmutenden Kochrezepten, Werbeanzeigen für örtliche Unternehmen und die Göttinger Sparkasse, Nachrichten aus den korporierten Dachverbänden sowie Selbstporträts Göttinger Studentenverbindungen besteht die Zeitschrift zu großem Teilen aus politischen Beiträgen. In vielen Artikeln ätzt man gegen das vermeintlich undemokratische Vorgehen des Göttinger AStAs und weiterer „Linksextremer“ und konnte für Gastbeiträge politische Prominenz für sich gewinnen. So kommt in der zweiten Ausgabe der damalige stellvertretende Ministerpräsident Niedersachsens, Wilfried Hasselmann (CDU), zu Wort und plädiert für die Verbotsaufhebung des „Farbentragen[s] an der Universität“. Auch Rainer Barzel, früherer Kanzlerkandidat der Unionsparteien und zum damaligen Zeitpunkt Präsident des Deutschen Bundestags, verfasste für das lokale Korporiertenblatt einen Kommentar, in dem er eine „Intoleranz“ gegenüber Studentenverbindungen kritisiert. Ein drittes und letztes Beispiel ist der Neujahrsgruß für das Jahr 1984 durch den zeitgenössischen Präsidenten der Universität Göttingen, Norbert Kamp. Mit diesen Gastbeiträgen bemühten sich die Herausgeber einerseits um ein seriöses Ansehen. Andererseits wird ebenso deutlich, wie wenig damals zumindest die Unionsparteien wirklich eine Abgrenzung nach rechts betrieben.

Weitere Beiträge im Zirkel widmen sich auch metapolitischen Fragen. Dafür verantwortlich waren einige Redakteure, die im Verlauf zur Redaktion stießen, wie etwa der Gildenschafter Karl-Eckard Hahn, ehemaliger Pressesprecher und heutiger Leiter des Wissenschaftlichen Diensts der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag. Hahn war früher ebenfalls als Autor diverser neurechter Publikationen tätig. Vor allem die „Gedanken zur deutschen Frage“ prägten nun die zwei- bis dreimal im Semester erscheinenden Ausgaben. So beklagt sich etwa das Redaktionsmitglied Gunnar A. in der Ausgabe 12 (1986) über ein den „Deutschen für Deutschland“ nicht eingeräumtes „Selbstbestimmungsrecht“ sowie über die „nationale Bevormundung durch die Siegermächte“. In der vorherigen Ausgabe, zu welcher mit Ernst Al-brecht der damalige Ministerpräsident Niedersachsens einen Gastbeitrag über Umweltpolitik „ohne ökologischen Übereifer“ beigesteuert hatte, stellt der Redakteur Hans-Christoph G. eine „Befreiung“ Deutschlands am 8. Mai 1945 infrage; schließlich sei es im Nachhinein zur Vertreibung der Deutschen gekommen, deren Land durch die „Sieger […] besetzt und zerstückelt“ worden sei. Zwar sei mit dem Datum auch die Befreiung der Konzentrationslager verbunden, die dortigen „Verbrechen“ hätten aber „nicht eigentlich die Kriegsgründe, den Kriegsverlauf, Kriegsziele und die Nachkriegsentwicklung beeinflußt“. Bei derlei geschichtsrevisionistischen Artikeln ist es kaum verwunderlich, dass in den späteren Ausgaben auch Karlheinz Weißmann, wie Hahn Gildenschafter und heutiger Vordenker der Neuen Rechten, und Andreas Mölzer, Mitglied des Corps Vandalia Graz und inzwischen FPÖ-Spitzenfunktionär, als Autoren in Erscheinung traten.

Auch der heutige CDU-Politiker Karl-Eckhard Hahn beteiligte sich aktiv an der Zeitschrift Phönix

Auch das kurzlebige Nachfolgeprojekt Göttinger Zirkel folgte der politischen Ausrichtung der Neuen Rechten: So schrieben mit den Autoren Andreas Molau (Gildenschafter, Junge Freiheit-Redakteur, später NPD-Politiker, inzwischen ausgestiegen) und Michael Paulwitz (Burschenschafter, zeitweise Schriftleiter der Burschenschaftlichen Blätter sowie regelmäßiger Kommentarschreiber der Jungen Freiheit) zwei profilierte Vertreter des rechten Rands in ihren jungen Jahren für den Göttinger Zirkel. In der Zeitschrift werden unter anderem die Neuerscheinungen des neurechten Vordenkers und selbsterklärten Faschisten Armin Mohler gepriesen. Doch trotz der nationalistischen Welle in den Wendejahren erschien der erneuerte Zirkel lediglich einmal im Frühjahr 1990.

Neues Altes aus dem Harz: der Phönix als völkisches Regionalblatt

Abseits der Göttinger Universitätsöffentlichkeit konnten die Zirkel-Autoren Hahn und Weißmann in einem weiteren regionalen Zeitschriftenprojekt ihre politischen Ansichten noch offener formulieren. Seit 1981 erschien der Phönix in Goslar. Herausgeber war Elmo S., der damalige Vorsitzende der örtlichen Jungen Union. Viele Redakteure waren ebenfalls im Jugendverband der CDU aktiv und zugleich auch als Mitglieder der Schlesischen Jugend Goslar im Vertriebenen-Milieu beheimatet. Ab der im Jahr 1984 veröffentlichten Ausgabe 10 waren bis zur vorletzten Ausgabe mit den bereits genannten Weißmann und Hahn und dem heutigen Geschichtsprofessor Hans-Christof Kraus (Universität Passau) auch drei Göttinger verantwortliche Redakteure. Neben Kommentaren zum politischen Zeitgeschehen erfüllte die Zeitschrift vor allem eine Funktion als Theorieorgan, welches einem jüngeren Publikum Klassiker der Konservativen Revolution vorstellte – also Werke völkischer Autoren der Weimarer Republik, die bis heute zum Kanon der Neuen Rechten zählen. Beinahe für alle relevanten Vertreter und Veröffentlichungen dieser Strömung erschienen im Phönixinhaltliche Einführungen: Zwei prägnante Beispiele verdeutlichen dies: In Ausgabe 12/13 (1984) stellt Karlheinz Weißmann den neurechten Vordenker Edgar Julius Jung und sein Werk vor, in Ausgabe 16/17 (1984) tut es ihm Karl Eckhard Hahn mit der Präsentation von Arthur Moeller van den Bruck gleich. Nach der Nummer 19 (1986) kam es allerdings zu einem redaktionsinternen Zerwürfnis über die politische Linie des Blattes, so dass erst zwei Jahre später die schließlich letzte Ausgabe in deutlich geringerem Umfang erschien.

Für eine weitere – und vor allem tiefergehende – Beschäftigung mit den beiden vorgestellten Zeitschriften, in denen bekannte Vertreter der heutigen Neuen Rechten ihre publizistische Karriere begannen, sind im Antifaschistischen Bildungszentrum und Archiv Göttingen e.V. alle Ausgaben des Zirkels sowie ab Nummer 4 alle Veröffentlichungen des Phönix einsehbar.

In einem unscheinbaren Reihenhaus ist der Sitz der Gildenschaft Trutzburg zu Jena Göttingen