ANTIFEMINISMUS, NEOLIBERALISMUS UND FASCHISMUS VEREINT?
Von Gina Bartali und Damian Ott
Fortan möchten wir regelmäßig Publikationen des rechten Lagers aus unserem Bestand vorstellen, die in der Vergangenheit (auch) in Südniedersachsen erschienen. Sie sollen zu einer weiteren kritischen Beschäftigung mit der regionalen Extremen Rechten und damit zum Besuch des Archivs einladen.
Das bundesweite Zeitschriftenprojekt Krautzone macht deutlich, wie nah Faschismus und bestimmte Spielarten des Liberalismus beieinander liegen können. Beide Strömungen sind geeint in ihrem Wunsch, eine idealisierte Vergangenheit wieder aufleben zu lassen. Hierin bleibt männliche Vorherrschaft weitgehend unhinterfragt und gesellschaftlicher Aufstieg an das Geburtsrecht gekoppelt. Diese reaktionären Vorstellungen werden ästhetisch modern in der Krautzone (kurz: Kraz) verbreitet. Übrigens existieren auch Bezüge der Zeitschrift nach Südniedersachsen: Im Göttinger Ostviertel wurden bereits Aufkleber der Zeitschrift verklebt und der extrem rechte Versand Konmo aus Gittelde (Landkreis Göttingen) hat Annoncen im Magazin geschaltet.
Zwischen Jungkonservatismus und Neoliberalismus
Die Zeitschrift hat ihren Umfang seit ihrer Ersterscheinung kontinuierlich gesteigert und umfasst mittlerweile über 68 Seiten. Ihr formaler Aufbau ist dabei relativ konstant geblieben: Gemäß ihres Selbstbildes, verschiedenen rechten Strömungen eine Plattform zu geben, beginnt jede Ausgabe mit zwei Leitartikeln der beiden Geschäftsführer und Chefredakteure Hannes Plenge und Florian Müller. Beide Texte beschäftigen sich mit dem jeweiligen Hefttitel und positionieren sich jeweils – entlang unterschiedlicher extrem rechter Spielarten – pro und contra dazu.
Die thematischen Schwerpunkte sollen insbesondere zur eigenen Positionsbestimmung im Spannungsfeld zwischen Jungkonservatismus und rechtslibertärem Milieu anregen und arbeiten sich zu diesem Zweck an klassisch rechten Feindbildern wie der politischen Linken, dem Islam und feministischen Bewegungen ab. Aus einer Ablehnung des „Fremden“ und „Anderen“ soll das vermeintlich „Eigene“ entwickelt werden. Exemplarisch wird das an Müllers Argumentation gegenüber der Einwanderung aus muslimischen Staaten nach Deutschland deutlich (Kraz 2): Diese sei – in einem gewissen Rahmen – zu begrüßen, da die Deutschen von der ‚kulturellen Andersartigkeit‘ lernen könnten, sich beispielsweise wieder verstärkt einer eigenen – weiß-deutschen – Familiengründung zuzuwenden. In dieser Argumentation Müllers wird die doppelte Feindstellung innerhalb der Neuen Rechten deutlich: Nicht der Islam ist der Hauptfeind dieses Milieus, sondern die als „westliche Dekadenz“ bezeichnete liberale Gesellschaft, die individuelle Lebensentwürfe vor eine kollektive Zugehörigkeit zu Volk und Nation stellt. Aus diesem Grund kann Müller Einwanderung positive Aspekte abgewinnen: Sie könne in „hypermodernen Zeiten“ als Gegenprojektion für den in Deutschland bereits stattfindenden Verlust traditioneller Ordnungskriterien wie Familie, Staat und Nation dienen. Demgegenüber bedient Plenge in seiner Argumentation typisch rechtspopulistische Argumentationsmuster und fokussiert sich nicht primär auf ethnisch-kulturelle Differenzen, sondern stellt die ‚Rückschrittlichkeit‘ des Islams als Religion in den Vordergrund, und bemängelt eine fehlende Integration in die deutsche Gesellschaft, deren Ursache er in der Religion ausmacht.
Diese beiden Diskussionsbeiträge verweisen exemplarisch auf eine Bruchlinie innerhalb des rechten Milieus. Während Müller auf den Kanon des Jungkonservatismus referiert, bedient Plenge eher das rechtslibertäre Milieu und argumentiert gegen die angebliche Rückständigkeit des Islams, der für Müller jedoch ein positives Gegenbild zur „dekadenten“ westlichen Zivilisation darstellt. Auch wenn sich das rechtslibertäre Milieu der Bundesrepublik im Gegensatz zum Jungkonservatismus nicht primär auf die protofaschistischen Vordenker der konservativen Revolution beziehen, bedeutet dies nicht, dass diese Strömung des Blattes demokratischer wäre. Vielmehr tritt hier – kombiniert mit einer Verachtung für Armut – eine aggressive Verherrlichung vermeintlicher und tatsächlicher Eliten zu Tage. Als gesellschaftliches Ideal gilt hier das Deutsche Reich von 1871 mit seinem ständischen Wahlrecht. Dementsprechend kann das Blatt dann auch von einem Wahlrechtsentzug für all diejenigen fabulieren, die nicht „produktiv“ arbeiten, also für Schüler*innen sowie Arbeits- und Wohnungslose, aber auch Beamt*innen (Kraz 7). Gesellschaftliche Teilhabe soll einer kleinen (männlichen) Gruppe vorbehalten bleiben, der Sozialstaat mitsamt Kindergarten abgeschafft werden, sodass Frauen* endlich wieder auf die Familie zurückgeworfen werden können.
„Konservative Hipster“
Im Magazin schließt an die Leitartikel das von Müller betreute Autorenporträt „Konservative Hipster“ an. In diesem stellt er verschiedene (meist rechte) Intellektuelle vor. Darunter befinden sich unter anderem die Jungkonservativen und Proto-Faschisten Arthur Moeller van den Bruck, Oswald Spengler und Ernst von Salomon. Letzterer gehörte in der Weimarer Republik der rechtsterroristischen Gruppe Organisation Consul an und war an der Ermordung des jüdischen Außenministers Walter Rathenau beteiligt. Müller würdigt seine Tätigkeit wie folgt: „Salomons Motive muss man nicht gutheißen, allerdings lernt man, seine Handlungen nachzuvollziehen und begibt sich in einen sprachgewaltigen Strudel aus Gewalt, Versteckspiel und Verzweiflung, angetrieben durch seine Liebe zu Deutschland.“ (Kraz 2) Rechter Terrorismus wird, bei angedeuteter formaler Distanzierung, aus Liebe zu Deutschland nachvollziehbar. Kontinuitätslinien zwischen den Autoren der sogenannten Konservativen Revolution und dem Nationalsozialismus werden taktisch ausgeklammert und stattdessen die Gleichsetzung von Nationalsozialismus und Realsozialismus propagiert. Besonders drastisch wird diese Position von Markus Stirner in seiner Kolumne unter dem Titel „Verdummungsmonopol“ (Kraz 6) vertreten. So schreibt er mit Blick auf das Thema „Nationalsozialismus“ im Schulunterricht, dass das Hauptaugenmerk nicht „auf der (eigentlich relevanten) Endung ‚Sozialismus‘“ liege, sondern „man konzentriert sich vollständig auf das ‚National‘“. Statt sich mit dem Nationalsozialismus als radikalisiertem Nationalismus auseinanderzusetzen, sollte der Geschichtsunterricht „die klar ersichtliche Bosheit dieser menschenfeindlichen, rot- braunen Herdenlehre“ aufzeigen. Gemäß der neurechten Strategie, Begriffe umzudeuten, soll so die eigene ideengeschichtliche Tradition reingewaschen und der politischen Linken angelastet werden. Darüber hinaus wird an dieser Textstelle noch ein weiterer thematischer Schwerpunkt der Krautzone deutlich: Der Wunsch nach einer heldenhaften Nationalgeschichte, die notwendigerweise eine Abwehr der Aufarbeitung des Nationalsozialismus beinhaltet. An diese Rubriken schließen thematisch zum Heftschwerpunkt ausgewählte Interviews sowie verschiedene Kolumnen, Film- und Buchrezensionen, etwa von Veröffentlichungen des Antaios Verlags aus Schnellroda, an. Die Zeitschrift endet mit einer Kolumne, in der in hetzerischer Manier ein aktuelles Thema kommentiert wird.
Die AutorInnen der Zeitschrift sind auf vielfältige Art und Weise im extrem rechten Milieu verankert. Am augenscheinlichsten ist die Verbindung zwischen dem rechtslibertären Magazin Eigentümlich frei und der Krautzone. Mindestens drei Redakteure und sechs Autoren schrieben für die beiden Zeitschriften. Auch zur AfD existieren Verbindungen. Der Krautzone-Redakteur Maximilian Kneller ist Mitglied der Partei und erlangte im Jahr 2015 bundesweite Bekanntheit, weil er auf Facebook einem Mitglied der Jungen Liberalen (Jugendorganisation der FDP) eine Vergewaltigung angedroht hatte. In seiner Autorenvorstellung greift die Krautzone diesen Umstand in misogyner Weise, vermeintlich ironisiert wieder auf, in dem Kneller wie folgt vorgestellt wird: „Max auf Facebook über Frauen (sinngemäß): ‚Ich werde für die Gleichberechtigung der Frauen in Deutschland kämpfen, und wenn es das letzte ist, was ich tue.‘“ Daneben bestehen auch zur Identitären Bewegung (IB) Überschneidungen. Der IB-Kader Alex „Malenki“ Kleine wurde von der Krautzone zu einer Pod- cast-Folge eingeladen und durfte bei der Zeitschrift für seine Organisation werben. Doch die Verbindungen sind noch wesentlich enger:
Die ehemalige IB-Aktivistin Reinhild Boßdorf schreibt, teilweise unter dem Pseudonym „rein weiblich“, für das Blatt. Sie war ins- besondere an der rassistischen „120 Dezibel“-Kampagne der Identitären Bewegung beteiligt, bei der sexualisierte Gewalt rassifiziert und Übergriffe von weißen Männern geleugnet wurden. Frausein wird bei Boßdorf essentialisiert und auf die fürsorgende Mutterrolle beschränkt. Dadurch ist ihre Position deckungsgleich mit der zwanghaft verteidigten männlichen Vorherrschaft in der Redaktion der Krautzone.
Alte Widersprüche in neuem Gewand
Eine aufmerksame Auseinandersetzung mit der Krautzone ermöglicht Einblicke in eine recht moderne Form des Reaktionismus, der allen voran von jungen weißen Männern vertreten wird. An dieser Stelle wollen wir daher einen näheren Blick auf Geschlechterfragen werfen und darauf, wie diese in dem reaktionären Blatt verhandelt werden. Die Beteiligung von Frauen an einer Zeitschrift wie der Krautzone überrascht zunächst, ist das Blatt doch mit sexistischen Seitenhieben gespickt.
Häufig wird das Wirken von Frauen in der extremen Rechten mit den Errungenschaften der Frauenbewegung erklärt. So auch von den Soziologinnen Kirsten Döhring und Renate Feldmann in ihrem Aufsatz über Akteurinnen und Organisationen in der extremen Rechten: „Die Stärkung des Selbstbewusstseins von Frauen – zweifelsohne eine positive Errungenschaft der Frauenbewegung – macht vor extrem rechten Ideologien nicht Halt.“ Dennoch ziehen sie eine klare Differenz zu den Forderungen und der politischen Ausrichtungen der Frauenbewegung: „Das zunehmende Selbstbewusstsein rechter Frauen ist allerdings weder darauf angelegt, eine Geschlechteregalität in der rechten Szene zu erreichen noch emanzipatorische Ziele zu verfolgen.“ Das wird auch in den von Frauen publizierten Artikeln in der Krautzone deutlich. In der Kolumne „Pauline pöbelt“ veröffentlicht Pauline Meißner regelmäßig Beiträge, in denen sie in polemischem Stil ein beliebiges Thema aufgreift. Auffällig dabei ist, dass Dating und Sex eine übermäßig große Rolle im Vergleich zu den Artikeln ihrer männlichen Kollegen spielen. So dient mal der Wunsch nach einem „Betthupferl“ (Kraz 13) als Einstieg, um über die vermeintliche Freundin und ihren Besuch bei einem Coach herzuziehen, ein anderes Mal wird über das Date mit einem „Volljurist mit Prädikatsexamen“ berichtet, um dann zum Aufhänger des Textes, Kinofilme, zu kommen, der wiederum nur dazu dient sich rassistisch zu äußern: „Ich sehe mittlerweile in der Uni Kanaken, in der Mensa, beim Bäcker, im Café … Da schaue ich mir doch nicht auch noch im Kino freiwillig Kanaken an!?!“ (Kraz 14). Meißners Artikel illustrieren einen Widerspruch innerhalb der rechten Bewegungen, der nicht neu ist: Das alte Frauenbild, das noch in der völkischen Rechten und auch im Nationalsozialismus maßgebend für die Verortung der Geschlechter in der Gesellschaft war, stößt an seine Grenzen. Auch rechte Frauen wollen die Sphäre der Passivität verlassen, Artikel schreiben und ihre Sexualität ausleben. Rechte Ideologien, deren Gemeinsamkeit stets ein Weltbild der Ungleichwertigkeit ist, können dieses (punktuelle) Streben nach Gleichwertigkeit nur schwer integrieren. Die Frau soll einerseits Teil der Bewegung sein, andererseits darf sie die Vormachtstellung des Mannes nicht in Frage stellen. Oder mit anderen Worten: dass sie gegen Migrant*innen hetzt, findet man im rechten Lager natürlich ganz toll, aber sie soll dafür auf gar keinen Fall besser bezahlt werden als ein Mann. So ist es denn auch nicht verwunderlich, dass zwar Praktikantin Meißner, die in der Hierarchie weit unter der Chefredaktion steht, ihren Körper und ihre Sexualität zum Thema machen darf oder soll, der rechtspopulistischen Bloggerin Anabel Schunke – die bis vor ein paar Jahren noch in Göttingen studierte – dann aber in einem online erschienenen Artikel von Kneller genau das vorgeworfen wird. Kneller wirkt in seinem Artikel vor allem neidisch auf Schunkes Karriere in konservativen bis neurechten Medien wie Tichys Einblick oder Achse des Guten, wenn er schreibt: „Seht her! Eine moderne Frau klagt den Islam für sein rückständiges Frauenbild an! So schnell macht man aus der Dauerstudentin mal eben eine Journalistin.“ Denn den Islam ‚anklagen‘ kann Kneller schließlich auch. Nur bei der Sache mit dem rückständigen Frauenbild verheddert er sich in Widersprüchen, wenn er weiter schreibt: „Sie sucht also noch einen vollversorgenden Beta-Mann, der sie und das eine Kind, das sie dann noch bekommt, durchfinanziert. Es darf dann gerne ein Deutscher sein. Aber seid dann bitte auch der verhausschweinte ‚Wir sind schwanger‘-Sager, der ihr abnimmt, wenn sie sagt, dass sie sich aus Sex nicht so viel macht.“ Weibliche Sexualität scheint für Kneller bedrohlich, die Aufgabe des Mannes in einer Partnerschaft unklar: soll er „Vollversorger“ sein, so wie im vielfach gepriesenen Kaiserreich oder nicht, weil das die Unterjochung durch die Frau bedeuten würde? Kinder ja oder nein? Hier finden schließlich auch klassische Incel-Begriffe, wie der „Beta-Mann“ Eingang in die Krautzone – die Fragilität von Männlichkeit wird besonders deutlich. Ein „Beta-Mann“, das ist in der Welt der Incels ein „weichgespülter“ Mann mit wenig Selbstbewusstsein – und in dieser Rolle sieht sich Kneller sicherlich nicht selbst. Vielmehr scheint er sich selbst als „Alpha-Mann“ zu verstehen, der der permanenten Gefahr (wahlweise durch „Beta-Männer“ oder Frauen wie Schunke) seinen gesellschaftlichen Status zu verlieren, ausgesetzt ist. „Alpha-Männer“ dürfen per Definition eigentlich keine Angst haben, sie sind auch nicht unsicher (sonst wären sie ja keine echten „Alphas“). Aus diesem Widerspruch ergibt sich auch die spezifische Form von fragiler Männlichkeit, in der es zur Gefahr wird, wenn eine Frau sich eben doch etwas aus Sexualität macht, und die man in der Krautzone häufig beobachten kann. Anders als klassische Incels sehen sich die Männer, die dort publizieren, nicht als Opfer (das wäre schließlich zu unmännlich). Sie scheinen sich eher als letzte Bastion der Alpha-Männchen zu verstehen, deren Identität allein dadurch erschüttert wird, dass sie um ihre Vormachtstellung überhaupt kämpfen müssen. Denn das bedeutet schließlich, dass diese Vorherrschaft weder ungebrochen noch natürlich ist: Weder die Verhältnisse im Kaiserreich noch jene im Spätkapitalismus können die Redakteure zur Auflösung dieses Widerspruchs bemühen, auch wenn sie es auch nach mittlerweile 20 Heften immer noch versuchen.