Die Gesellschaft für freie Publizistik und die Klosterbuchhandlung in Lippoldsberg
Die Gesellschaft für freie Publizistik
Im nordhessischen Lippoldsberg, unweit der niedersächsischen Grenze und der Neonazi-Immobilie Meinolf Schönborns in Gieselwerder, liegt im Klosterhof 4 die „Klosterbuchhandlung Lippoldsberg“ sowie das Sekretariat der Gesellschaft für freie Publizistik. Es handelt sich bei den beiden eng verbundenen Strukturen um zwei der ältesten Organisationen der extremen Rechten. Grund genug einen Überblick zu geben.
Wenn man an extrem rechte „Thinktanks“ denkt, wird den meisten das Institut für Staatspolitik (IfS) in Schnellroda einfallen. Die Bestrebungen, eine Intellektualisierung der extremen Rechten zu erreichen, gehen aber weiter zurück. Eine der bedeutendsten und langlebigsten Strukturen dafür ist die Gesellschaft für freie Publizistik (GfP). Der sich als überparteilich verstehende Verein wurde im Jahr 1960 gegründet und sieht sich als Plattform von Akteuren, „die für die Freiheit des Wortes eintreten wollen“ (Website). Konkret bedeutet dies eine Revision der deutschen Geschichte, insbesondere der Zeit des Nationalsozialismus. Die aus Sicht der GfP wahrheitsgemäße Geschichte dürfe aufgrund des Straftatbestands der Volksverhetzung nicht öffentlich geäußert werden. Hauptaktivitäten der GfP sind die Herausgabe der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift Freies Forum und eines Tagungsberichts des in der Regel jährlich stattfindenden Kongresses. Während das Freie Forum eher einer kommentierten Presseschau gleicht, versucht die GfP im Rahmen ihrer Kongresse, die Positionen der extremen Rechten intellektuell zu begründen.
„Wir sind jetzt natürlich […] etwas rückläufig geworden“
– Björn Clemens über die GfP
Zentrale Akteure der Gesellschaft waren vor allem zu deren Beginn einflussreiche Verleger des rechten Milieus, die zum Teil zuvor in führenden Funktionen des NS-Kulturbetriebs, unter anderem dem Reichspropaganda-Ministerium, tätig waren. Prominentestes Beispiel hierfür ist Helmut Sündermann, ehemaliger stellvertretender Reichspressechef der NSDAP und späterer Inhaber des extrem rechten Druffel-Verlags. Insbesondere in den ersten Jahren ihres Bestehens konnte die GfP sowohl Rechtskonservative als auch Holocaustleugner unter ihrem Dach vereinen. Die Organisation kann somit als Abwehrversuch einer sich in der Bundesrepublik seit Mitte der 1960er Jahren zunehmenden kritischen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus verstanden werden, der nicht von Erfolg gekrönt war. Trotzdem konnte die GfP bekannte Revisionisten und Holocaustleugner wie David L. Hoggan und David Irving einer größeren Öffentlichkeit bekannt machen. Ersterer leugnete beispielsweise die deutsche Kriegsschuld und popularisierte somit einen zentralen Topos extrem rechter Geschichtspolitik, welcher sich bis heute durch die Veröffentlichungen der GfP zieht. Neben dem geschichtsrevisionistischen Schwerpunkt des Vereins wurden im Rahmen der Kongresse insbesondere in den ausgehenden 1990er Jahren auch immer wieder strategische Fragen wie die Nutzung des Internets, Möglichkeiten des (militanten) Widerstands und der Bedeutung von Metapolitik für die extreme Rechte diskutiert. Auch die Agitation gegen den als dekadent verschrienen Liberalismus unter Führung der USA und eine völkische Biopolitik, verbunden mit einer rassistischen Agitation gegen Migrant*innen und Geflüchtete zählen zu den Schwerpunkten des Vereins.
„…so mega bekannt sind wir halt nicht. “
– Björn Clemens über die GfP
Wie GfP-Vereinsvorstand und rechter Szene-Anwalt Björn Clemens im Interview mit dem als Volkslehrer bekannten Youtuber Nikolai Nerling bereits 2018 auf dem Jahreskongress angedeutet hat, scheint die GfP ihre besten Tage hinter sich zu haben. GfP-Referenten wie Thor von Waldstein sind mittlerweile zum IfS abgewandert. Viele der noch aktiven ProtagonistInnen stehen der ebenfalls schwächelnden NPD nahe oder sind dort Mitglied. In der Vergangenheit konnte die GfP jedoch immer wieder auch ReferentInnen und Mitglieder für sich gewinnen, die bis in das konservative Spektrum reichten. Ein Beispiel ist das ehemalige CDU-Mitglied Albrecht Jebens, der persönlicher Referent des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger war.
Aktuell befinden sich im GfP-Vereinsvorstand der Österreicher Martin Pfeiffer, der Düsseldorfer Rechtsanwalt Björn Clemens sowie der in Osterode im Harz wohnende Alfred Zips. Letzterer bediente in seinen Vorträgen das für die GfP typische Spektrum aus geschichtsrevisionistischen und rassistischen Themen. So referierte der Oberstleutnant a.D. unter anderem über das „Schicksal der Kriegsgefangenen“, wobei „Deutsche Landser, aber auch Zivilisten […] oftmals ‚Opfer systematischer Rachejustiz‘“ (Kongressbericht 2014, Website) geworden sein sollen, während „die Wehrmacht keine Schuld am Gros verstorbener Kriegsgefangener“ (ebd.) trage. Daneben beschäftigte er sich mit der mangelnden Souveränität Deutschlands und schürte rassistische Überfremdungsängste (vgl. Kongressbericht 2016, Website). Zips trat im August 2020 als Redner bei einem Neonaziaufmarsch des Arminiusbundes vor dem sogenannten Heimkehrerdenkmal in Friedland auf. An der Kundgebung nahm unter anderem auch Thorsten Heise teil. An der Person Zips wird jedoch auch deutlich, wie wenig Strahlkraft die GfP für eine breitere extreme Rechte noch hat: Seine einzige monografische Veröffentlichung ist eine Zitatesammlung über den Zweiten Weltkrieg. Auch das Publikum der GfP befindet sich im fortgeschrittenen Alter. So konstatierte die Antifaschistin Martina Renner bereits vor über 10 Jahren eine Überalterung des Vereins. Verschiedene Versuche der Einbindung sozialer Netzwerke in die Außendarstellung des Vereins konnten bisher keine sichtbaren Erfolge erzielen. Layout und Gestaltung der Homepage wirken unübersichtlich und altbacken. Damit kann die GfP nicht mit den sich jugendlich gerierenden neurechten Verlagen wie dem maßgeblich vom Burschenschafter Philipp Stein betriebenen Jungeuropaverlag konkurrieren. Auch der geschichtsrevisionistische Schwerpunkt kann keine Impulse mehr nach außen setzen, dafür arbeitet sich die GfP zu selbstreferentiell an den immer gleichen Themen ab. Trotzdem sollte die Bedeutung der GfP nicht unterschätzt werden: Die Veranstaltungen bieten noch immer einen Raum zur Vernetzung verschiedener, mehrheitlich neonazistischer, AkteurInnen. Die Vorträge können Kampagnen der extremen Rechten intellektuell unterfüttern und so zur Bildung und Festigung des eigenen Milieus beitragen.
Die Klosterbuchhandlung Lippoldsberg
Die Gesellschaft für freie Publizistik ist eng mit dem Klosterhaus-Verlag und der zugehörigen Klosterbuchhandlung Lippoldsberg verbunden. So stellt Margret Nickel nicht nur die Geschäftsführerin der Buchhandlung, sie ist gleichzeitig auch die Schriftführerin der GfP. Ihre Adresse dient auch als Postanschrift der Gesellschaft für freie Publizistik.
Anhand der Website des Klosterhaus-Verlags werden auch die inhaltlichen Überschneidungen zur GfP deutlich. Neben den Texten von Hans Grimm findet man dort die gesamte Palette extrem rechter Literatur. Von Erlebnisberichten deutscher Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg, die Titel wie „Germanische Freiwillige: Als dänischer Waffen-SS-Mann an der Ostfront“ oder „Tragödie um die Treue: Kampf und Untergang des III. (germ.) SS-Panzer-Korps“ tragen, über die Frage nach der deutschen Kriegsschuld zur germanischen Mythologie bis hin zu programmatischen Schriften wie Alain de Benoist „Kulturrevolution von Rechts“ lässt die Buchhandlung kein Thema aus, welches für die extreme Rechte in irgendeiner Form traditionsstiftend ist. Zum Angebot gehören dabei natürlich auch die Bücher der GfP selbst. Der Verlag ist dabei nicht zufällig im Ort Lippoldsberg (heute Teil der Gemeinde Wesertal) angesiedelt. Vielmehr trifft sich die extreme Rechte bereits seit Jahrzehnten im Zentrum und Wahrzeichen des Ortes, dem ehemaligen Benediktinerinnen-Kloster. Dass Lippoldsberg zu einem Vernetzungsort der extremen Rechten geworden ist, ist vor allem dem Wirken des völkischen Autors Hans Grimm zu verdanken, der einen Teil der Handlung seines Kolonialromans „Volk ohne Raum“ in der Gemeinde spielen lässt.
„Aber man kann nicht in Gottes Namen ein politischer Dichter sein und in Lippoldsberg sitzen wollen.“
Hans Grimm über Lippoldsberg
Der Titel ist hier noch auf die ehemaligen deutschen Überseekolonien angewendet und wurde später zum Stichwort für den Eroberungs- und Vernichtungsfeldzug der NationalsozialistInnen in der Sowjetunion. Neben dieser literarischen Verarbeitung des Ortes initiierte Grimm von 1934 bis 1939 auf dem Klosterhof die Lippoldsberger Dichtertage, bei denen sich radikalnationalistische und antisemitische Schriftsteller trafen. Nach dem Zweiten Weltkrieg ließ Grimm diese Tradition wiederaufleben und die Veranstaltung entwickelte sich zu „einem zentralen gemeinschaftsstiftenden Ereignis für die ‚nationale Opposition‘ der Bundesrepublik“ (Botsch in Handbuch des Antisemitismus, Band 7, S. 290), zu dem in Spitzenzeiten bis zu 5.000 TeilnehmerInnen kamen. Nach dem Tod Hans Grimms übernahm dessen Tochter Holle gemeinsam mit der GfP die Organisation der Veranstaltung, bis sie 1981, auch in Folge von Gegenprotesten, eingestellt wurden. Im Ort geblieben ist der Klosterhaus-Verlag mit dazugehöriger Buchhandlung. Als Holle Grimm starb, übernahm deren Sekretärin Margret Nickel den Verlag. Im Gegensatz zu Nickel distanzieren sich die Enkel der Grimms deutlich von ihren Verwandten und versuchten in der Vergangenheit, Verlag und Buchhandlung aufzulösen – leider ohne Erfolg. Die Buchhandlung befindet sich noch immer auf dem Gelände des „Baudenkmal[s] von nationaler Bedeutung”, wie die Klosterkirche Lippoldsberg auf ihrer Website wirbt. Doch im Ort regt sich Widerstand. In unmittelbarer Nachbarschaft hängen Banner des Vereins „Wesertal ist bunt“. Eine offizielle Ächtung von Seiten der Gemeinde steht noch aus.
Zum Weiterlesen
Sorb, Alex und Brasch, Sonja; „Im Dienste des nationalen Widerstands“. Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Björn Clemens in: Lotta 79.
Botsch, Gideon; Lippoldsberger Dichtertage in: Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart, Band 7 (S. 290-292).