von Damian Ott
Wie in den Vorjahren auch möchten wir euch an dieser Stelle unsere Chronikauswertung vorstellen. In dieser sammeln wir extrem rechte Aktivitäten und sind dabei vor allem auf Meldungen aus der Zivilgesellschaft angewiesen. Jede Meldung wird von uns überprüft und – sofern sie verifiziert werden konnte – indexiert und einer Kategorie zugewiesen. Da die Vorfälle nur einer einzigen Kategorie zugewiesen werden, führen wir intern teilweise Einzelfall-Diskussionen, welche die treffendste Kategorie ist. Auch die Kategorien selbst stehen dabei immer wieder auf dem Prüfstand; so wurde nach einer unserer Veranstaltungen im Jahr 2022 die Kritik an uns herangetragen, dass die Zusammenlegung der Vorfallsart „Frauen- und LGBTIQ-Feindlichkeit“ die strukturellen Unterschiede der beiden Diskriminierungsarten verwischen würde. Dies hat dazu geführt, dass wir uns wochen- und monatelang immer wieder darüber ausgetauscht haben. In diesem Fall sind wir zu der Entscheidung gekommen die Kategorie
vorerst so zu belassen. Dies liegt auch an der Menge der gemeldeten Vorfälle, die so gering ist, dass eine Ausdifferenzierung der Vorfälle nicht von Nutzen wäre. Solltest du als unser*e Leser*in uns hier widersprechen, freuen wir uns über Feedback. Vielleicht hat ja auch jemand Lust einen kleinen Debattenbeitrag für die nächste Hingeschaut! beizutragen?!
Analyse der extrem rechten Aktivitäten in SüdniedersachsenSeit fünf Jahren betreibt das ABAG mittlerweile seine Chronik über rechte Aktivitäten in der Region Südniedersachsen und dem thüringischen Eichsfeld. Über weite Strecken unserer Arbeit dominierte die Corona-Pandemie das Meldegeschehen maßgeblich. Im Jahr 2023 hat dieses Thema im engeren Sinn weiter an Relevanz verloren. Geblieben ist jedoch die immer weiter voranschreitende Zusammenarbeit der verschiedenen Strömungen innerhalb der extremen Rechten und die gesamtgesellschaftliche Übernahme extrem rechter Positionen. Das betrifft mal wieder vor allem rassistische Kampagnen und antisemitische Verschwörungserzählungen. Aber auch Bürgergeldbezieher*innen, trans* Personen, vermeintliche und tatsächliche politische Gegner*innen und viele andere Gruppen werden tagtäglich angegriffen. Asylrechtsverschärfungen oder die Drangsalierung armer Menschen im Sanktionsregime des Jobcenters werden dabei nicht einmal von der politischen Rechten, sondern von der Ampelregierung umgesetzt. Auch angeblich politisch linke Kräfte wie das neugegründete Bündnis Sarah Wagenknecht mischen beim rechten Kulturkampf fleißig mit.
Diese politischen Raumgewinne, die sich nur bedingt im konkreten Meldeverhalten der Chronik zeigen lassen, geben größten Anlass zur Sorge. Obwohl wir als ABAG eine Zunahme an Anfragen für Info- und Bildungsveranstaltungen verzeichnen, sind organisierte antifaschistische Kräfte wenig präsent. Gesellschaftliche Visionen, die sich fernab des rechten Kulturkampfes bewegen, sind marginal und verfügen über kaum gesellschaftlichen Einfluss. Wir plädieren aus diesem Grund für eine verstärkte theoretische Auseinandersetzung mit der extremen Rechten. Die moralische Empörung, insbesondere in den sozialen Netzwerken, nutzt wenig, wenn sie nicht in konkrete und kontinuierliche Praxis umgesetzt wird. Wir wünschen uns stattdessen, dass die Reflexion über die Grundannahmen des rechten Weltbildes – nämlich der fundamentalen Ungleichheit der Menschen aufgrund von Merkmalen wie Ethnie oder Geschlecht – dazu führt, eine theoretisch begründete Vision einer gerechteren Welt zu entwickeln und nicht nur den schlechten Status quo zu verteidigen.
Die Auswertung unserer Chronik hat in den vergangenen Jahren auch immer eine Reflexion der von uns erfassten Meldungen beinhaltet. Wir wollen offenlegen, was die Chronik zeigt – und was sie nicht zeigt. Ziel der Chronik ist es, die Entwicklung der extremen Rechten in der Region zu dokumentieren und als Ausgangspunkt für weitere Recherchen zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus dokumentieren wir menschenfeindliche Praxen, die konstitutiv für das Weltbild der extremen Rechten sind, wie Rassismus oder Antisemitismus. Diese Ideologeme sind nicht nur dort zu finden, sondern auch im Rest der Gesellschaft. Wir müssen so von Fall zu Fall abwägen, was wir an Dokumentation leisten können und worüber die Chronik Aussagen treffen kann.
Im Jahr 2023 hat uns in dieser Hinsicht unter anderem das Themenfeld des israelbezogenen Antisemitismus beschäftigt. Am 7. Oktober 2023 verübte die islamistische Hamas zusammen mit verbündeten Organisationen den größten Massenmord an Jüd*innen seit der Shoa. Infolgedessen kam es weltweit zu antisemitischen Angriffen und zu Demonstrationen, die sich solidarisch mit den Palästinenser*innen erklärten. Oft wurde in diesem Kontext ein „Freies Palästina“ vom „the river to the sea“ gefordert. Ganz Israel erscheint in dieser Deutung als „Besatzungsmacht“, die von der Landkarte getilgt werden soll. Ein weiterer Genozid an Jüd*innen wäre die Folge. Da diese Form des israelbezogenen Antisemitismus in der Regel nicht von Seiten der lokalen extremen Rechten geäußert wurde, ist er in der Chronik nicht abgebildet.
Um diese Leerstelle zu füllen, haben wir die Recherche und Informationsstelle Antisemitismus Niedersachsen (RIAS) im Chronikinterview befragt.
Die ??? Was? Wie? Wo?
Zahlen, Daten und lokale Schwerpunkte
Insgesamt entfielen von den für 2023 364 erfassten Vorfällen 251 auf das Stadtgebiet Göttingen. Das entspricht ungefähr zwei Drittel der Gesamtmeldungen. Rechnet man die Vorfälle für das nahegelegene Bovenden hinzu, was aufgrund der ähnlich lautenden Meldungen sinnvoll ist, erhöht sich die Zahl sogar auf fast 75%. Somit wurden drei Viertel aller Meldungen für Göttingen abgegeben, während das Umland weiterhin deutlich unterrepräsentiert ist. Hier sollen zunächst die gemeldeten Vorgänge mit denen des vergangenen Jahres verglichen werden, bevor dann nochmal vertieft auf einzelne Entwicklungen eingegangen wird. Das Aufmarschgeschehen hat sich mit insgesamt 73 dokumentierten Versammlungen wieder entspannt. Zum Vergleich: 2022 wurden 238 Aufmärsche dokumentiert. Propagandameldungen haben im Gegenzug wieder etwas zugenommen und liegt bei 279 Meldungen (2022: 223). Auf thematischer Ebene haben Feindmarkierungen politischer Gegner*innen von 68 auf 107 Meldungen zugenommen. Ebenfalls deutlich gestiegen ist Propaganda, die gegen LGBTQI* gerichtet ist. Wurden im Jahr 2022 drei Meldungen dokumentiert, waren es 2023 über 40. Rechte Selbstdarstellung ist aufgrund des fehlenden Wahlkampfes zurückgegangen, genau wie die Verherrlichung bzw. Verharmlosung des Nationalsozialismus, da gleichsetzende Aussagen von Corona-Maßnahmen mit der NS-Diktatur nicht mehr aufgetreten sind. Im Folgenden wird auf die Entwicklung in Göttingen eingegangen, bevor dann ein Ausblick auf Südniedersachsen und Nordthüringen geworfen werden soll.
Die rechte Sammlungsbewegung am Laternenmast: Schwerpunkt Nordstadt
In Göttingen hat sich in diesem Jahr ein Trend fortgesetzt, der bereits im vergangenen Jahr an den Aufklebern von Studenten stehen auf absehbar gewesen ist. In der Nordstadt und vor allem in Weende lässt sich die größte Häufung an rechter Propaganda feststellen. Das liegt zum einem daran, dass sich im nördlichen Stadtgebiet sowohl der Zentralcampus als auch der Nordcampus befinden, auf denen sehr viele Menschen zusammenkommen – und trotzdem ist diese Häufung bemerkenswert. Gerade die Verbindungswege von der Innenstadt nach Norden wurden regelmäßig beklebt. Es handelt sich um die Weender Straße und ihre Verlängerung bis nach Altweende, die Goßlerstraße und ihre Erweiterungen in der Theodor-Heuss-Straße sowie des Kaakwegs und zu guter Letzt um die Straßen Kreuzbergring, Von-Bar-Straße bis zum Hochschulsport. Dabei ist bemerkenswert, dass nicht eine politische Strömung den Schwerpunkt der rechten Propaganda darstellte. Zwar wurden – wie im vergangenen Jahr auch – eine Vielzahl von Aufklebern verklebt, die noch einen Bezug zur Corona-Pandemie hatten. Erinnert sei an dieser Stelle nur an die Motive mit dem Unendlichkeitszeichen sowie an das mit dem „Antifahund“ an der Leine der Pharmaindustrie. Daneben nahmen klassische Neonazi-Sticker wieder deutlich zu. War die Propaganda, welche eindeutig dem Neonazi-Milieu zuzuordnen war, mit dem Wegzug der sog. Göttinger Naziclique und dem Beginn der Corona-Pandemie eingebrochen, wurden 2023 vor allem Aufkleber aus dem Shop Druck18 verklebt. Sticker, die der Neuen Rechten zugeordnet werden können, wurden ebenfalls verklebt. Das steht zunächst in der Tradition der vergangenen Jahre; Aufkleber von der Kampagne Ein Prozent oder dem Projekt Gegenuni wurden immer wieder aufgefunden. In diesem Jahr lag der Schwerpunkt auf der queerfeindlichen Kampagne Stolzmonat. Dieser Angriff auf LGBTQI*-Menschen und den Pridemonth als solchen begann zunächst als Social-Media-Kampagne, aber äußerte sich auch in Form von Aufklebern und – allerdings nicht in Göttingen – in Gegenkundgebungen, die teilweise von der AfD organisiert worden waren und bei denen queere Teilnehmer*innen auch körperlich angegriffen wurden. In Göttingen verbreiteten nicht nur sogenannte Neurechte Queerfeindlichkeit. Auch Neonaziaufkleber propagieren das Bild einer weißen hetero Kleinfamilie.
Eine wichtige Entwicklung rechter Propaganda des Jahres 2023 stellte die Zunahme von AfD-Aufklebern im Stadtgebiet dar. Insbesondere seit Oktober wurden vermehrt Aufkleber geklebt, die zum Teil auch in Form der Göttinger Skyline und der Aufschrift „I love AfD“ klar regionalen Charakter haben. Diese Entwicklung korrelliert mit der Neuaufstellung des Kreisvorstandes am 22. September 2023 im Niedersachsenhof Gieboldehausen. Der neue (und alte) Vorsitzende Kai Mende erklärte im Anschluss im Göttinger Tageblatt mehrere Ortsvereine, unter anderem in Göttingen, gründen zu wollen. Es ist somit zu erwarten, dass sich zukünftige Aktionen der AfD nicht nur auf das Kreisgebiet beschränken, sondern auch in Göttingen selbst zunehmen werden.
Die bereits angesprochene verstärkte Verbreitung neonazistischer Aufkleber arbeitete sich zum überwiegenden Teil an der Antifa ab. In verschiedensten Variationen wurde gegen Linke und Antifaschist*innen gehetzt. Anfang Dezember 2023 wurde ein linkes Wohnprojekt unmittelbar am Zentralcampus mit Hakenkreuzen, dem Lagertor von Auschwitz-Birkenau und den Worten „Wir holen euch!“ beschmiert. Bei einem anderem Hausprojekt in Campusnähe wurden zudem Fahrradreifen aufgeschlitzt. Bedrohungen gegen Linke finden sich somit auch 2023 in Göttingen wieder. Die Verwendung von Hakenkreuzen auf Stickern kehrt wieder zu ihren Ursprüngen zurück: Wurden im vergangenen Jahr die staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie noch mit dem nationalsozialistischen Regime gleichgesetzt, beschränkte sich die extreme Rechte in diesem Jahr wieder auf die affirmative Verwendung des Symbols.
Verschwörungsideologische Aufmärsche im Jahr 2023
Das Aufmarschgeschehen in der Region Südniedersachsen beschränkte sich wie in den Vorjahren auf verschwörungsideologische Aufmärsche. Ihre Mobilisierungskraft zum Thema Corona haben sie endgültig verloren. Das Potential für ähnliche Bündnisse ist allerdings weiterhin gegeben und die nächste gesellschaftliche Krise wird kommen. Dort kann an Affekte und Ressentiments angeschlossen werden, die im Rahmen der Corona-Aufmärsche gepflegt wurden. Die Bauernproteste im Frühjahr 2024 haben die Stärke der rechten Sammlungsbewegung erneut unter Beweis gestellt. Nichtsdestotrotz organisierten Corona-LeugnerInnen zwei bundesweit mobilisierte Aufmärsche in der Universitätsstadt Göttingen. Lokale AkteurInnen waren nicht an der Organisation beteiligt.
Allerdings nahmen einige lokale PandemieleugnerInnen und AfD-Funktionäre an den Aufmärschen teil. Zu nennen wären hier die beiden AfDler Justin Vogel (Vorstandsmitglied im Kreisverband Göttingen) und Stephan Froböse (Landtagskandidat der AfD 2022). Beate Kühnhold von der verschwörungsideologischen Partei dieBasis nahm zusammen mit ihrem politischen Bündnispartner Edgar Schu an mindestens einem Aufmarsch teil. Mittlerweile engagiert sich letzterer für das Bündnis Sahra Wagenknecht.
Der Staat gegen rechts?
Die organisierte Neonaziszene musste im Jahr 2023 einige Verbotsverfahren hinnehmen und ist zunehmender Repression ausgesetzt gewesen. Dabei gingen die Innenministerien insbesondere gegen langjährige Hintergrundstrukturen vor. So wurden unter anderem am 19. September die Hammerskin Nation und am 27. September die Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V. verboten. Direkte Folge dieses staatlichen Vorgehens war eine Selbstauflösungswelle innerhalb des organisierten Neonazismus, die auch Einfluss auf die Region Südniedersachsen hatte. Noch am Tag der Vollstreckung des Verbots gegen die Artgemeinschaft löste Thorsten Heise die Kameradschaften Arische Bruderschaft (AB), Kameradschaft Northeim und die Untergruppierung der AB, die Brigade 12 auf. Mutmaßliches Ziel dieser formalen Selbstauflösungen ist das Zuvorkommen staatlicher Verbote und tatsächlich: Am 26. Oktober kam es zu weiteren Hausdurchsuchungen. Unter Federführung der Generalstaatsanwaltschaft Celle wurde unter anderem das Anwesen Heises im thüringischen Fretterode durchsucht.
Die Polizei teilte im Nachgang mit, dass bei allen Hausdurchsuchungen insgesamt mehrere Zehntausend Tonträger (CDs und Schallplatten), zahlreiche elektronische Kommunikationsmittel (Smartphones und Notebooks) und Speichermedien, ein fünfstelliger Bargeldbetrag sowie schriftliche Unterlagen sichergestellt wurden. Da Heise selbst nicht anwesend war, führten Gianluca Bruno und seine Frau Sabrina B. die Polizist*innen über das Gelände. Dem Neonazi Heise wurde vorgeworfen, Teil einer kriminellen Vereinigung zu sein, welche strafrechtlich relevante, volksverhetzende Musik international vertreibt. Neben Heise selbst waren auch enge Mitstreiter von der Brigade 12 betroffen. Die Brigade 12 war insbesondere im norddeutschen Raum aktiv und zeichnete sich dort u.a. für die Organisation von Rechtsrockkonzerten verantwortlich. Bereits im Frühjahr 2023 hatte die Polizei ein neonazistisches Konzert in Neumünster aufgelöst. Die Karten waren über den Online-Shop von Heise verkauft worden. Die Polizei wurde von den anwesenden Neonazis angegriffen und unter anderem mit Stühlen, Bierdosen und einem Feuerlöscher attackiert.
Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass die Rechtsrocknetzwerke vermehrt von staatlichen Behörden in den Blick genommen werden. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass Heises Aktionsradius ernsthaft eingeschränkt wurde. Mit der Neuausrichtung der Partei Die Heimat (ehemals NPD) steht dem Neonazifunktionär außerdem auch eine Organisation zur Verfügung, die als Partei wesentlich schwerer zu verbieten ist.
Neben diesen Verboten kam es in Südniedersachsen zu einigen Gerichtsprozessen, in denen rechte Straftaten aufgeklärt und bestraft werden sollten. In Göttingen selbst wurden zwei Neonaziangriffe gegen vermeintliche Linke beziehungsweise als schwul gelesene Menschen verhandelt. In beiden Fällen wurde die extrem rechte Gesinnung der Angeklagten nicht berücksichtigt und die Täter kamen mit geringen Strafen davon. An dieser Stelle sei auf die ausführlichere Dokumentation des Portals Südniedersachsen rechtsaußen verwiesen. Durch einen der Prozesse wurde außerdem bekannt, dass in Südniedersachsen ein neuer Neonazi-Versand etabliert werden soll. Die Brüder Felix Leonard, Clemens und Tilman Hauser haben den Online-Shop Gemsbok gegründet, welcher zunächst in Bodenfelde und jetzt in Uslar ansässig sein soll. Die Familie Hauser war ebenfalls vom Verbot der Artgemeinschaft betroffen. Die Wohnung und Praxis ihres Vaters in Essen wurden von der Polizei durchsucht.
Vor dem Amtsgericht Göttingen fand darüber hinaus ein Prozess gegen den ehemaligen Aktivisten des Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen, Leif Aaron Scharnhorst, statt. Der ehemalige Kandidat der NPD für die Kommunalwahl 2016 in Südniedersachsen wurde am 22. Juni 2023 wegen Verstoß gegen das Waffengesetz zu einem Jahr Gefängnis, ausgesetzt zu vier Jahren auf Bewährung, verurteilt. Die Polizei hatte auf seinem Grundstück in Reiffenhausen unter anderem eine manipulierte Gaspistole, 950 Patronen, mehrere Hakenkreuze und mindestens eine CD mit Rechtsrock gefunden. Einem Gutachten des Landeskriminalamts zufolge war die Gaspistole so verändert wurden, dass sie einer Schusswaffe gleichzustellen sei. Der Angeklagte selbst erklärte, dass er sich von der rechten Szene losgesagt habe. Diese Aussage muss jedoch angezweifelt werden, da er von einem anderen ehemaligen Mitglied des Freundeskreises zu den Prozesstagen begleitet wurde.
Im August 2023 musste sich der Einbecker Neonazi Pascal Zintarra zum wiederholten Male vor dem Northeimer Amtsgericht verantworten. Verhandelt wurde sein Besuch der KZ-Gedenkstätte Moringen am 12. November 2019. Damals provozierte er zusammen mit drei weiteren Neonazis, darunter Tobias Haupt, während eines öffentlichen Rundgangs in der Gedenkstätte. Im Anschluss posierten die drei Neonazis vor dem Eingang der Gedenkstätte mit zustimmender Geste. Zintarra trug an dem Tag ein T-Shirt, das an eine Hakenkreuzfahne angelehnt war. Es handelte sich um ein rotes Shirt mit weißem Kreis in dessen Mitte das Wort „zensiert“ stand. Ein weiterer Neonazi trug ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Fuck you Israel“ und einem durchgestrichenen Davidstern. Schlussendlich wurde Zintarra „wegen gemeinschaftlicher Volksverhetzung in Tateinheit mit gemeinschaftlichem Verunglimpfen des Andenkens Verstorbener“ zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt. Dass der notorische rechte Straftäter nicht mit der Szene gebrochen hat, wurde ebenfalls im Gerichtsaal deutlich. Auf den Zuschauerbänken unterstützten ihn seine beiden Kameraden Tobias Haupt und Jens Wilke.
Auf der Anklagebank wurde der Angeklagte vom rechten Szeneanwalt Andreas Wölfel vertreten. Neben seinem vielfältigen Aktivismus für die extreme Rechte ist Wölfel Mitglied der Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth. Somit zeigt sich erneut die Bedeutung Korporierter für die extreme Rechte. Auch ein weiterer NS-verherrlichender Vorfall kann als Solidaritätsaktion für Zintarra gewertet werden. In der Nacht auf den 12. August – und damit drei Tage vor seiner Verurteilung – wurde das Moringer Heimatmuseum mit den Worten „Ausläner raus [sic!]“, einem Hakenkreuz und einer Doppel-Sigrune (SS) beschmiert. Die KZ-Gedenkstätte Moringen betonte in ihrem Statement zu dem Vorfall, dass sich die Anschläge auf Erinnerungsorte des Nationalsozialismus häufen.